Die Positionierungsstrategie des Eisvogels
Ein ganz anderer Blickwinkel auf Positionierung: Eine Radtour an der Yonne an
einem heißen Sommertag. Mit einem Buch in der Hand
sitze ich am Flußufer im Schatten einer Erle. Zwei Eisvögel sind in meinem
Blickfeld bei der Jagd. Die beiden verhalten sich zunächst so, wie ich es vom
Bach an meiner Joggingstrecke kenne: So ein Eisvogel setzt sich auf einen Zweig,
der über das Wasser ragt, wartet dort geduldig auf einen Fisch und schnellt dann
kopfüber ins Wasser. Mit etwas Glück taucht er mit Beute im Schnabel wieder auf.
Einen Zweig mit perfekter Lage zu wählen, könnte man Positionierungsstrategie
nennen.
Die beiden Eisvögel vor
mir sind nur mäßig geduldig und wechseln immer wieder im pfeilschnellen
Tiefflug knapp über dem träge dahinziehenden Fluss zur nächsten Sitzposition. Es
scheint den Vögeln
klar zu sein, dass es auf die Ausgangsposition wirklich ankommt. Vielleicht ein
Dutzend Sitzplätze sind wohl besonders günstig und entsprechend beliebt und
werden immer wieder angeflogen.
Die Eisvögel an der Yonne haben beide noch nichts gefangen. Mit einem lästigen
Fischreiher liefern sie sich ein paar Scheinangriffe, was zum Jagderfolg
aber auch nichts beiträgt.
Plötzlich ein Strategiewechsel: Einer der beiden tut etwas, was ich bei meinen
heimatlichen Eisvögeln noch nie habe beobachten können: Auf einem langsamen
Patrouillenflug fast mannshoch über die Wasserfläche bleibt er mit einem Mal
wenige Meter vor
mir in der Luft stehen wie ein Sperber, betrachtet sekundenlang das
Wasser und stürzt sich dann tollkühn in die Tiefe. Diesmal mit Erfolg.
Ok. Bei größeren Wasserflächen wird die Strategie der Eisvögel wahrscheinlich
überall
so sein. Es lag an meiner Unkenntnis, dass mich diese Jagdstrategie überraschte.
Aber mir ist die Situation bis heute haften geblieben, weil mir wie kaum jemals
sonst klar
wurde, wie wichtig die Ausgangsposition für einen Erfolg ist. Überall. Und wie
wichtig es ist, diese Position optimal wählen zu können. Das zu können, machte
hier den Unterschied zwischen Hunger und Beute.
Und auch das ist wichtig: Geduldig auf seinem Ast zu sitzen, ist gewiss weniger
anstrengend als in der Luft zu stehen. Verständlich, dass der Vogel es zuerst
auf die bequeme Art versuchte. Doch wer Erfolg will, muss wohl auch zu einem
Strategiewechsel bereit sein.
Eine Nische ist ein Risiko
Wer
braucht heute noch einen Schuster? Berufe sterben
aus. Unternehmen und ganze Branchen gehen unter.
Wie verhält es sich da mit dem Sinn von Spezialisierung?
Wie ist das z. B. mit einem Spezialbetrieb, der sich
auf die Reparatur von Alarmanlagen der Marke xy
konzentriert? Hängt er nicht auf Gedeih und Verderb
ab von der gesunden Existenz von xy?
Die Abhängigkeit besteht in der Tat. Sie entsteht
dann, wenn der Betrieb nicht den Vorsprung hin zu
seinen Kunden sucht, sondern z. B. wie hier, zu einem
Lieferanten. Bestünde die Spezialisierung darin,
für jeden Kunden die optimale Alarmanlage zu finden,
zu installieren und zu warten, dann wäre die Situation
wesentlich stabiler. Geht die Spezialisierung weiter,
etwa auf die Sicherung von Kunstgegenständen oder
auf die Sicherung von freistehenden Villen etc dann
entsteht ein immer selteneres und gleichzeitig seltener
nachgefragtes Spezialwissen, das dann natürlich
auch besser bezahlt wird.
Generell gilt wohl: Die optimale Besetzung einer
sehr engen Marktnische ist günstig für schnelles
Wachstum in der Anfangsphase eines Betriebes. Ob
die Nische überhaupt für eine wirtschaftliche Existenz
ausreicht, weiteres Potential bietet etc. ist eine
ganz andere Frage. Die Antwort dazu heißt: Immer
neue Ausrichtung auf die dringendsten Bedürfnisse
der klar umrissenen Zielgruppe.
Aufgabe: Anwendungsgebiete: Schlagen Sie
heute die Brücke zur Zielgruppe. Nehmen Sie dazu
erneut Ihr Stärken/ Schwächen-Profil zur Hand. Sie
haben aufnotiert, was Sie alles leisten können.
Ergänzen Sie jetzt, wer diese Potentiale optimal
nutzen könnte.
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Beispiel:
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Stärken im Profil:
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Potentielles Anwendungsgebiet
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Sehr gutes Englisch |
Alle Unternehmen |
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Grundkenntnisse Italienisch |
Alle Unternehmen mit Handelspartnern in
Italien |
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Technisches Verständnis, Umgang mit Menschen |
Beratung, Verkauf |
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10 Jahre Erfahrung Einsatzplanung Montageroboter |
Automobilindustrie |
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Kombinieren Sie die Eigenschaften miteinander,
dann entstehen Merkmalskombinationen. Hier liegt
der eigentliche Ansatzpunkt zur Spezialisierung.
Es nützt Ihnen herzlich wenig, ein noch so perfektes
Englisch zu sprechen, wenn für alle infrage kommenden
Tätigkeiten eine Verständigungsfähigkeit auf technischer
Ebene bei weitem ausreicht und auch noch jeder Bewerber
dieses Kriterium erfüllt.
Aus der Beispiel-Tabelle ist leicht herauszulesen,
daß ein italienischer Hersteller von Fertigungsanlagen,
der deutsche Kunden gut beraten und bedienen möchte,
für eine solche Person Interesse zeigen müßte.
Aufgabe: Kombinationen: Manchmal ist es sehr
sinnvoll, einfach seine vier oder fünf größten Stärken
zu kombinieren und dafür den optimalen Verwendungszweck/die
optimale Zielgruppe herauszusuchen. Sind die Stärken
ausgeprägt, ausreichend selten und für die betrachtete
Zielgruppe von großer Bedeutung, dann haben Sie
bereits eine geeignete Marktpositionierung gefunden.
Probieren Sie ein wenig. Doch in der Regel ist
die Suche schwieriger und bedarf des Abwägens, Nachdenkens
und immer neuer Ideen.
Aufgabe: Deshalb nochmals etwas professioneller:
Erstellen Sie eine Liste der Wettbewerbsfaktoren
/ Produktfeatures etc, die Ihren gegenwärtigen Erfolg
ausmachen. Falls Sie meineSTRATEGIE-Anwender sind:
Erstellen Sie eine Value-Curve.
Aufgabe: Profil der Zielgruppe: Eine weitere
Möglichkeit, eine optimale strategische Orientierung
zu finden, besteht darin, ein Zielgruppen-Profil
zu erstellen. Angenommen, Ihr Unternehmen liefert
Gartenmöbel an Baumärkte. Dann liegt Ihre Zielgruppe
fest. Diese Zielgruppe hat Anforderungen an Preis,
Rabattstruktur, Design, Farben, Langlebigkeit, Material,
Umfang des Sortiments, Lieferzeiten etc.
Notieren Sie auf einer Liste die Anforderungen
Ihrer Zielgruppe. Bewerten Sie, wie wichtig die
optimale Erfüllung der einzelnen Anforderungen für
Ihre Zielgruppe ist. Teilen Sie die Zielgruppe auf,
wenn sich bei einer bestimmten Anforderung extreme
Unterschiede zeigen. Stellen Sie die Anforderungen
Ihren Stärken und Schwächen gegenüber.
Bitte nehmen Sie sich Zeit und überlegen Sie
gründlich.