Kernkompetenzen sind "Kapital"
In großen Unternehmen wird man als kluger Stratege
Kernkompetenzen behandeln wie Kapital. Man wird sie in
einem Zuordnungsprozess den bestmöglichen Anwendungsgelegenheiten
zuordnen. Mehr darüber in der Fachliteratur (z. B.
Hamel/Prahalad).
Die
Inventur der Kernkompetenzen
Eine Inventur der Kernkompetenzen sollte auch
ein kleineres Unternehmen durchführen. Selbst
Einzelunternehmer sollten das tun. Die Liste wird dann bei strenger
Auslegung der Definition kurz ausfallen. Sie ist aber
ist ein Kernstück der praktischen strategischen
Situationsanalyse.
Dabei stellt man fest: Das ist keineswegs so
leicht, wie man denkt. Schon in mittelständischen
Unternehmen tritt man leicht in politische Fettnäpfchen.
Trotzdem sollte man klar benennen, welchen Kernkompetenzen der
Unternehmenserfolg geschuldet ist und welchen nicht.
Eine weitere Schwierigkeit ist, dass oft Kerngeschäft
und Kernkompetenz vermischt werden. Das Kerngeschäft
ist vielleicht die Lieferung von Fertigbeton. Doch
das können viele. Die Kernkompetenz, der man sein
Geschäft verdankt, könnte vieles sein: Vielleicht ist es das Bestechen von
Einkäufern.
Oder es ist die Kunst, mit besonderer Pünktlichkeit
und Zuverlässigkeit zu liefern. Kernkompetenzen
sind etwas, was man besser kann als andere.
Auch Wettbewerbsvorteile und Kernkompetenzen
sind ganz unterschiedliche Dinge. Mehr Parkplätze
vor dem Geschäft zu haben als der Wettbewerber,
kann ein Wettbewerbsvorteil sein. Eine Kernkompetenz
ist das jedenfalls nicht.
Kombinationen
Kernkompetenzen können auch aus der Kombination
einfacher Grundfertigkeiten entstehen. Für sich
alleine genommen können sie völlig unspektakulär sein,
in der Kombination aber einzigartig. Hochwertiges, dünnes Glas herzustellen,
dürften viele können. Kunstvolle Geflechte herstellen, das werden auch viele
können. Aber die Kombination, hochwertiger Christbaumschmuck aus einem
Geflecht von Glassträngen, wäre vielleicht einzigartig. Sollte das Produkt
gefragt sein, wäre es eine Kernkompetenz. Viele Spezialprodukte,
auch im Hightech-Bereich gehen auf ungewöhnliche
Kombination von Spezialkenntnissen zurück. Siehe
dazu auch "Wieviele Wettbewerber
verträgt ein Markt?". Bei der Inventur von Kernkompetenzen
ist das natürlich unbedingt zu beachten.
Mit einem Skill-Diagramm (auch Kompetenz-Diagramm) betrachtet man die Kombination
zweier Kompetenzen. Der Screenshot ist erstellt mit meineSTRATEGIE. Im
Beispiel könnte nur Wettbewerber W5 die Produkte P3 und P4 herstellen. Er ist
der Einzige, dessen Elektronik-Kompetenz ausreichen würde. Für P4 würde aber
seine Fähigkeiten in Miniaturisierung nicht ausreichen ...
Kernkompetenzen als Kombination einfacher Dinge?
Im praktischen Alltag sind es oft ganz simple
Dinge, die eine Einzigartigkeit ausmachen. Man denke
etwa an die Kombination einer technischen Fertigkeit
und einer Sprache. Wer z.B . vor Ort im Ausland
eine Anlage montiert, kommt mit Englisch gut
durch. Doch vielleicht beherrscht ein guter Techniker gleichzeitig
eine eher seltene Landessprache. Das eröffnet
vielleicht tatsächlich einen Marktzugang, den die
Wettbewerber nicht haben.
Der
Vorteil für den Kunden liegt auf der Hand. Die Einzigartigkeit
ist gegeben. Und diese Kompetenz schafft Zugang
zu einem neuen Markt. Ist das also eine Kernkompetenz?
Ein Wettbewerber erkennt vielleicht ebenfalls
die Marktchance, die ihm da entgeht. Er würde
nur Wochen brauchen, um seinerseits einen
Monteur mit den gleichen Sprachkenntnissen anzuheuern.
Wenn das gelänge, wäre die Einzigartigkeit dahin.
Strategie-Experten nehmen es deshalb mit der Einzigartigkeit
noch etwas genauer: Einzigartigkeit muss zu verteidigen
sein. Eine Kernkompetenz muss auch etwas sein, was
nicht unmittelbar einfach ist. Sie darf nicht sofort nachgemacht
werden können.
Wie gut muss man in der Kernkompetenz sein?
Etwas besser zu können, heißt gar nicht, dass
man etwas besonders gut kann. Es kann auch sein
wie bei dem Einäugigen unter den Blinden. Vielleicht
haben Sie große Mühe damit, z. B. die antibakterielle
Oberfläche von Türgriffen überhaupt hinzubekommen.
Aber Sie sind eben derjenige, der es hinbekommt.
Den Kunden ist es etwas wert. Also Kernkompetenz.
Nicht Hightech ist Kernkompetenz. Kernkompetenz ist der
Anteil davon, den man sichtbar besser kann als Andere.
Wem gehört die Kernkompetenz?
Dem Kunden ist es egal, wem Sie die Kompetenz
verdanken. Vielleicht haben Sie einen
exklusiven Lizenzvertrag in der Tasche. Nur Sie können das also überhaupt. Die
Kompetenz ist aber letztlich diejenige des Lizenzgebers
und nicht die eigene. Vielleicht liegen Kernkompetenzen nur in Form
ganz bestimmter Mitarbeiter vor. Dann sollte man sie von denen des
Unternehmens unterscheiden. Immerhin gibt diese
Überlegung erneut Anlass, über die genannte Erweiterung
der Definition nachzudenken: Eine Kernkompetenz
ist etwas, das man auch aussichtsreich verteidigen
und entwickeln kann.
Und dann noch die Frage: Da haben wir eine Kompetenz,
die keiner unserer Wettbewerber hat. Sie ist dem Kunden
etwas wert. Aber sie betrifft nur ein Promille unserer
Produkte. Ist das dann eine Kernkompetenz?
Ganz klar ja. Das gehört auf Ihre Liste. Wir suchen
ja auch nach Verzettelung und nach Chancen.