Die Struktur des Lesestoffs
Niemand käme auf die Idee, Goethe mit einer Schnelllesetechnik anzupacken. Doch
die moderne Wirtschafts-Literatur, Zeitungen und Zeitschriften etc.
enthalten bei Weitem nicht die Gedankenfülle und -Dichte, die originelle Denker
hervorbringen oder hervorbrachten. Die wenigen wichtigen Gedanken liegen
oftmals an unscheinbaren Stellen des Textes gut versteckt oder sie liegen in der
Struktur des Buches, in der gedanklichen Vorverarbeitung, die der Autor
für uns geleistet hat.
Diese Struktur erwirbt man sich beim linearen Durchgehen eines Buches nur
unzureichend und mit großem Zeitverlust. Deshalb lohnt es sich, ein Buch
zunächst zu überfliegen. Blättern Sie dazu ein Sach- oder Fachbuch, das Sie
lesen wollen, zunächst von vorne bis hinten durch. Bleiben Sie in einem
ungefähr gleichmäßigen Rhythmus von ca 2 bis maximal 3 Sekunden pro Seite. Das
reicht gerade aus, um die eine oder andere Überschrift, ein paar Stichwörter
und die Abbildungen zu erfassen. In Ihrem Gehirn entsteht so in wenigen Minuten
eine Vorstellung und eine Struktur des Buches.
Tipp:
Nutzen Sie "Übersichtslesen". Manchmal lässt sich bereits aufgrund
dieses Vorgehens die Entscheidung treffen: Dieses Buch
lese ich nicht!
Fragen an das Buch
Der entscheidende Vorsprung, den ein solches
"Überfliegen" bringt, liegt in einer Art Vor-Strukturierung. In diese
können sich dann beim
normalen Durchlesen die Gedanken einordnen. Ihre Lesegeschwindigkeit wird
deutlich gesteigert, ebenso das Verständnis und die Behaltensquote. Die fünf
investierten Minuten haben sich schnell gelohnt.
Sie steigern diesen Effekt noch, indem Sie vorab Fragen an ein Buch richten, sich
Gedanken machen, welchen Inhalt Sie wohl erwarten würden. Bilden
Sie sich vorab eine eigene Meinung oder überlegen Sie, welche Struktur Sie einem
Werk zu diesem Thema geben würden. Oder nehmen Sie sich einfach vor,
etwa bei einem Buch über ein Wirtschaftsthema, sich nur die Passagen zu merken,
die mit Kosten zu tun haben.
Ihr Gehirn führt aufgrund einer solchen Maßnahme ständig einfache Struktur-
Überlegungen durch, ordnet, bewertet, verarbeitet. Gleichzeitig
lesen Sie mit gesteigerter Neugierde, dem entscheidenden
Funken, der die geistige Verarbeitung verbessert.
PhotoReading
Wie ist das nun mit PhotoReading? Mit 25000 Wörtern pro Minute? Eine solche
Lesemethode tut genau das, was ich eben als strukturierendes Überfliegen
vorstellte. Hinzu kommt ein weiterer Steigerungsfaktor durch den Versuch, das
Gehirn in den Alpha-Zustand zu versetzen, einen Gehinwellen-Bereich, indem
das Gehirn unkritisch und besonders effizient lernt.
Diese Lesemethoden sind nützlich. Wir sollten uns aber nicht vorgaukeln, wir
hätten ein Buch damit gelesen. Das Gehirn ist rein physisch nicht in
der Lage, eine solche Informationsmenge wirklich zu verarbeiten. Auch nicht als
Bild. Wir glauben zwar, wir könnten uns ein Bild als eine Art Photographie
schnell und sicher merken. Dann könnte man auch erwarten, eine bedruckte
Buchseite abzufotographieren. Aber selbst das Bildergedächtnis merkt sich nur
Strukturen und setzt die Details beim Erinnern zusammen.

Tipp:
Füllen Sie Ihr Gehirn nicht mit Müll!
Doch selbst wenn wir das könnten, was würde es nützen? Die Struktur haben wir
weitgehend erfasst. Aber den Inhalt? Der Inhalt ist kein photographierbares
Buchstaben-Meer, sondern eine sequentielle Abfolge von Gedanken und Begriffen.
Gedanken lassen sich aber nur durch Mitdenken erschließen.
Betrachten wir diese ganzen Superschnell-Lesetechniken als das, was sie sind: Sie
sind Strukturierungstechniken. Wer mehr damit macht, sammelt nur
jede Menge unverarbeiteten Gedankenmüll. Eine Information ist nur dann etwas
wert, wenn sie die Stimmung bessert oder wenn man aufgrund der Information
handeln kann. Diese Art Schnelllesen mag ja ganz toll sein für Weltrekorde aller
Art. Aber der Nutzwert? Ein Telefonbuch auswendig zu können? Wertvolle
Information ist das jedenfalls nicht.