Was erlebt der Kunde?
Nach der umfassenden EKS jetzt als zweites Beispiel eine einfache, eng einzugrenzende Methode: Die Käufer-Nutzen-Matrix.
Dieses Schema ist auch als Kundennutzen-Matrix und als Produktnutzen-Matrix bekannt. Der Urheber des Schemas in einer Tabellenform ist der Bestseller "Blue-Ocean-Strategy" bzw. auf deutsch "Der blaue Ozean als Strategie (Amazon Affiliate Link)". Das Buch ist übrigens sehr lohnend, siehe auch Buchempfehlung "Der blaue Ozean als Strategie".
Worum geht es?
Mit der Käufer-Nutzen-Matrix ermittelt man systematisch die Möglichkeiten, einem Kunden einen Nutzen zu bieten. Letztlich geht es natürlich darum, Wettbewerber da zu übertrumpfen, wo der Kunde seinen Kaufentscheid trifft oder ganz neue Kombinationen von Produktnutzen zu entwickeln.
Die
Autoren Kim und Mauborgne nennen "Sechs Phasen beim
Erfahrungszyklus der Käufer". Das wären Kauf, Lieferung,
Nutzung, Ergänzung, Wartung und Entsorgung. Diesen
6 Phasen stellt man in einer Tabelle "sechs Nutzen-Hebel"
gegenüber. Das wären Produktivität, Einfachheit,
Leichtigkeit, Risiko, Spaß / Image und Umweltfreundlichkeit.
Wollte man also beispielsweise am "Nutzen-Hebel" Produktivität ansetzen, dann macht man das Produkt billiger oder besser in der Form, dass die Anwendung durch den Kunden schneller, einfacher oder kostengünstiger ist.
In jedem der entstehenden 36 Felder gilt es jetzt
also zu klären, was die Nutzung durch den Kunden
behindert: Wie teuer sind Ersatzteile? Wie leicht
ist die Verpackung zu entsorgen? ...
Nutzenräume
Jede der 36 möglichen Kombinationen in der Tabelle wird von Kim und Mauborgne als ein Nutzenraum betzeichnet. Viele Produkte sind auf einen oder wenige solcher Nutzenräume fokussiert. Ein Auto könnte sich z.B. im Feld Nutzung / Produktivität durch eine besonders günstigen Verbrauch auszeichnen.
Die Gauseschen Gesetze (siehe Wettbewerbsstrategie) zeigen, dass jeder Marktteilnehmer eine eigene Kombination aus solchen Nutzenräumen anstreben muss. Tatsächlich sind viele dieser Nutzenräume unbeachtet. Bei E-Bikes beispielsweise fragt jeder Kunde nach der Reichweite (Nutzung/Produktivität). Das Feld Nutzung/Sicherheit ist dagegen einfach durch gesetzliche Vorschriften vorgegeben. Kein Hersteller sieht die Notwendigkeit, sich an dieser Stelle besonders hervorzutun.
Jeder Wettbewerber wird sich auf eine Kombination von Nutzenräumen konzentrieren müssen. Würde man diese durch ein Kreuz kennzeichnen wie abgebildet, fällt auch gleich die Ähnlichkeit zu einem Lottoschein ins Auge: Auch hier gibt es Kombinationen in riesiger Anzahl. Man kann sich bei jedem Produkt sicher sein, dass es noch tausende unbeachtete Chancen gibt, sich vom Wettbewerb abzuheben. Darunter solche zu finden, die einem Käufer auch gefallen und zum Kaufentscheid führen, ist natürlich eine andere Sache.
Praktisch ansetzen
Man kann diesen Gedanken nun auf verschiedene Weise nutzen. Hat man zum Beispiel ein neues Angebot erdacht, das man auf den Markt bringen möchte, dann kann man mit diesem Schema ganz gut vergleichen, ob es ein Ansatz ist, der sich vom Wettbewerb unterscheidet.
Doch egal, ob man ein neues Angebot entwickeln möchte oder sein bestehendes Produkt betrachtet: Man muss immer wissen, was die Käufer denn überhaupt interessiert.
Es
ist also sinnvoll, erst mal mit einer Bewertungsmatrix
zu starten. Wie hier in Screenshot beim Aufbau mit
meineSTRATEGIE, genügen drei verschiedene Größen
für drei verschiedene Wichtigkeitsstufen. (Es gibt
zuweilen aber auch Felder, die völlig außer Betracht
bleiben können.)
Ganz unabhängig von irgendwelchen Design-Vorlieben gilt die Empfehlung: Gehen Sie erst mal alle Elemente systematisch durch und bestimmen Sie die Wichtigkeit für den Kunden. Also z.B. "Einfachheit in der Benutzung ist sehr wichtig". Wählen Sie entsprechend die Größe des jeweiligen Elements in der Matrix.
Im
zweiten Schritt bewertet man, wie gut man mit dem
eigenen Produkt auf jedem dieser Felder ist. Das
macht man mit der Farbe. Im deutschsprachigen Raum
werden meist 6 Notenstufen bevorzugt. Der Rest der
Welt denkt in der Regel in 10 Punkten, also 10 Farben
von dunkelrot für "sehr schlecht" bis dunkelgrün
für "sehr gut".
Was schließt man daraus?
Der erste Blick gilt natürlich den großen Punkten in den Farben an den Rändern der Farbskala.Im Screenshot wären das die Nutzenräume Nutzung/Einfachheit und Nutzung/Produktivität. Bei einem bestehenden Produkt würde der große rote Punkt dringenden Handlungsbedarf signalisieren. Das Produkt muss einfacher werden. Der große grüne Punkt zeigt: Der große Anwendungsnutzwert des Produkts ist das entscheidende Verkaufsargument.
Der Ausdruck "bei einem bestehenden Produkt" deutet es bereits an: Methodisch kann man das auch einsetzen für den Entwurf neuer Produkteigenschaften. Vielleicht gäbe es ja eine Zielgruppe, die sich die Punkte in der Käufernutzen-Matrix ganz anders wünschen würde...
Kim und Mauborgne zeigen in ihrem Buch am Konzept der Value Curve (Siehe auch Umsetzungsbeispiel für die Value Curve), wie man neue Kombinationen von Nutzenaspekten entwickelt und damit ganz neue, konkurrenzlose Produktangebote schafft. Dort wird deutlich: Man muss auch Leistungsminderungen in Kauf nehmen, wenn eine Zielgruppe sie nicht braucht. Aber eben nur da, wo, immer betrachtet für eine bestimmte Zielgruppe, der Punkt in der Käufer-Nutzen-Matrix klein und entsprechend die Wichtigkeit gering ist.