Welche Ressourcen liegen brach?
Man denkt bei brachliegenden Ressourcen vielleicht an Maschinen,
die nicht ausgelastet sind. Vielleicht könnte man Lohnaufträge für Andere
damit ausführen. Oder man denkt an Ladenhüter, aus denen wenigstens
noch ein Schleuderpreis zu holen wäre.
Sympathischer sind uns allerdings die "guten Ideen". Seit sechzig
Jahren stillgelegt und wertlos ist ein Steinbruch im Wald. Und plötzlich wird er
zur
romantischen Kulisse eines Hochseilgartens. Oder schrottreife
Gerätschaften,
die über Ebay zu wertvollen Sammlerstücken werden.
Oder nutzen Sie etwa alle im Unternehmen verfügbaren Sprachkenntnisse?
Wissen Sie überhaupt, wer welche Sprachen spricht? Wissen Sie, wer welche
Spezialkenntnisse hat?
Interessant sind manchmal gerade diejenigen Ressourcen,
die man nicht kennt oder längst vergessen hat.
Sind Ihre Ressourcen gut genutzt?
Natürlich kann man Ressourcen auch unterschiedlich gut nutzen. Als Jugendlicher
las ich Paul Carells
"Unternehmen Barbarossa". Ein Kriegsereignis machte mich besonders
betroffen. Sonst würde ich mich nach über vierzig Jahren
nicht mehr daran erinnern: Da
gab es eines Morgens einen Akt sinnloser Verzweiflung. Tausende russische
Kavalleristen wurden mit blankem Säbel gegen deutsche Maschinengewehre gehetzt.
Sie gingen in den
sicheren Tod. Kein einziger deutscher Soldat kam zu Schaden. Da mag sich jemand
eingeredet haben, er hätte "wertvolle
zwei Stunden gewonnen".
Trotzdem hat das Ereignis nicht nur seine
bestürzende menschliche Seite. Es ist auch ein extremes Beispiel für die
Verschwendung
einer wertvollen Ressource. Ein kluger Kommandeur hätte wahrscheinlich
eine bessere Lösung gefunden.
Wie muss man seine Mittel bewerten? Wie ordnet man sie, wenn man den
bestmöglichen
praktischen Nutzen daraus ziehen will? Also Ungenutztes nutzen und schlecht
Genutztes besser nutzen?
Im Mai 2010 verursachte ein Unwetter
Millionenschäden an den Erdbeerkulturen der Ortenau. Viele Obstbauern
hatten Hagelschutznetze zuhause bereitliegen. Aber so früh im Jahr hatten sie
einfach
noch nicht mit Hagel gerechnet.
Einmaliges und Andauerndes unterscheiden
Es tut einem in der Seele weh, wenn frisch angelieferte
Coils beim Altmetall landen. Eine Produktlinie wurde eingestellt. Jemand hat dummerweise
vergessen, dem Einkauf rechtzeitig Bescheid zu geben.
Und doch kann über Jahre eine hundertfache Verschwendung unbemerkt geblieben
sein. Niemand hat jemals den Verschnitt bei der Produktion optimiert.
Wir müssen also auch unterscheiden. Liegt eine einmalig verfügbare Ressource
vor? Oder betrachten wir einen ständig wiederholten Prozess
mit schlechter Ressourcennutzung?
Tempo
Diese Abhandlung ist nicht zur Belehrung von Regierungen und Weltkonzernen
gedacht. Es geht um Ihre persönliche Strategie als einzelner Mensch
und um die Strategie überschaubarer Unternehmen. Dann wird schnell klar,
dass die Nutzung von Ressourcen oft auch eine Frage des Tempos ist.
Zu den ersten Amtshandlungen eines Insolvenzverwalters
gehört es zum Beispiel, einen Mahnlauf anzuordnen: Möglichst schnell
ein wenig Liquidität aus der "Ressource offene Forderungen" zu
schöpfen.
Viele Nutzungsmöglichkeiten scheiden aus, wenn sie im gegebenen Zeitrahmen
nicht mehr wirksam werden. Unsere Betrachtung muss also auch die Frage
beantworten: Gibt es einen schnellen Weg zur Nutzung?
Wie geht man praktisch vor?
Wie muss die "Heerschau" eines
Unternehmens oder einer Einzelperson aussehen?
Strategische Überlegungen nutzen nur etwas, wenn man
sie umsetzt. Packen Sie es also ganz konkret an. Erstellen Sie eine
Liste aller nennenswerten Ressourcen, die Ihnen zu Gebote stehen. Ordnen,
gliedern und bewerten Sie diese Liste. Und dann legen Sie fest, was
Sie tun möchten.
Schritt 1 Ihrer Heerschau wird also sein, eine grobe
Gliederung zu erstellen. Also noch nicht die Frage: "Was ist da?" oder
"Was ist es wert?", sondern "In welche Bereiche gliedern sich
meine
Mittel, Kräfte und Reserven?"
Schritt 2 besteht darin, die nennenswerten Details aufzulisten
Egal, ob Sie die Ressourcen einer ganzen Fabrikanlage untersuchen
oder "nur" persönliche Ressourcen: Gehen Sie gründlich vor. Die alten
Römer trieben ihre Gründlichkeit so weit, dass zum Zeitpunkt der jährlichen
Heerschau auf dem Marsfeld kein einziger wehrfähiger Mann mehr innerhalb
der Stadttore war und diese hätte verteidigen können. Doch präzise Informationen
ermöglichten dann auch klare, sachliche Entscheidungen.
Gliedern Sie, wo immer nötig, die einzelnen Bereiche weiter auf.
Ersparen Sie sich aber die detaillierte Wiederholung gleichartiger Dinge.
Während man für eine Inventur jedes werthaltige Produkt einzeln aufzählen
muss, braucht man für die strategische Heerschau so etwas wie eine optimale
Gliederungstiefe für einen optimalen Level an Übersicht. Die obige
Grundgliederung
entwickelt sich dadurch weiter:
Schritt 3 ist die Kennzeichnung der einzelnen Ressourcen nach
Wert,
Verwendbarkeit, Verwertbarkeit oder Umfang der Verschwendung. Überarbeitete,
frustrierte und urlaubsreife Mitarbeiter leisten weniger als frische,
motivierte Leute. (Die Römer haben es fertiggebracht, gegen Hannibal
eine Schlacht unter anderem deshalb zu verlieren, weil Sie es in der
Eile versäumt hatten, zu frühstücken und wohlvorbereitet anzutreten.)