Zuverlässigkeitsketten und Schwachstellen
Eine Kette reißt immer am schwächsten Glied.
Eine Kette kann man nur an ihrem schwächsten Glied
überhaupt verbessern. Es bringt überhaupt nichts,
irgendein anderes Kettenglied zu verstärken.
Wer eine Kette verstärken will, kann natürlich auch alle Glieder verstärken. Er weiß ja dann, dass auch das schwächste Glied dabei war und verstärkt wurde. Will er aber strategisch klug handeln, also seine Kräfte optimal einsetzen, dann wird er diese Verschwendung vermeiden. Er wird versuchen, genau das schwächste Glied zu finden und dieses dann verstärken.
Übertragen wir das Modell der Kette auf ganz andere Anwendungsfälle, etwa in der EDV, dann müssen wir natürlich sicherstellen, dass das Bild der Kette tatsächlich zutrifft. Sonst geht es um den wundesten Punkt.
Der verwundbarste Punkt
Ein ähnlicher, aber eben nicht gleicher Effekt begegnet
uns in der Zuverlässigkeit eines ganzen Systems.
Ein Einbrecher wird die schwächste Stelle Ihres
Hauses wählen, um dort einzubrechen.
Eine bereits gut gesicherte Tür noch weiter zu verstärken, bringt nichts, wenn Sie gleichzeitig ein Kellerfenster offen lassen. Max und Moritz machen es vor und holen die gebratenen Hühner der Witwe Bolte durch den Kamin. Das gilt aber nur, wenn das Risiko, hier die Einbrecher, tatsächlich die wunden Punkte absucht. Nicht jedes Risiko tut das.
In beiden Fällen, bei der Kette und beim Einbrecher, ist klar, wie die betrachtete äußere Kraft wirkt. Sie wählt die schwächste Stelle. Bei der Kette durch die Gesetze der Physik. Beim Einbrecher absichtlich und mit Bedacht.
Mehrere Risiken
Das
ist aber natürlich nicht immer der Fall, wenn es
um Zuverlässigkeit geht. An der Kette zieht nur
eine einzige Kraft. Aber ein Risiko kommt selten
allein.
Eine Maschine mit vielen Verschleißteilen kann da oder dort zuerst ihre Funktion einbüßen. Sie unterliegt dem Zufall.
Und es geht selten um ein einziges Risiko. Stürme, Überschwemmungen und Erdbeben gehen anders vor als Einbrecher. Manchmal realisieren sich Risiken in Kombination miteinander, etwa bei Sturm und Überschwemmung durch das gleiche Unwetter.
Es lohnt sich, auch andere Stellen des Hauses zu verstärken als nur die erkannte Schwachstelle. Aber eine Schwachstelle hat immer die Rolle als wichtigster Ansatzpunkt.
Der schwächste Punkt
des Gegners
Im
täglichen Kampf um Geld, Macht und Marktanteile
haben wir es immer mit denkenden Menschen zu tun.
Jeder Gedanke über unseren wundesten Punkt oder
über den wundesten Punkt des Gegners wird daher
auch von anderen gedacht und angepackt. Strategische
Überlegungen setzen wir deshalb zurecht an den schwächsten
Punkten an.
Schwachpunkte sind nicht immer gegeben.
Man
kann sie erzeugen.
Max und Moritz sägen voller Tücke eine Lücke in die Brücke. Sie definieren den schwächsten Punkt. Genau hier wird die Brücke brechen. Sie locken Meister Böck heraus. Und die Brücke bricht.
Solche Sollbruchstellen kann man im mechanischen Gefüge einer Maschine ebenso vorsehen wie im Machtgefüge einer Organisation. Schwachstellen lassen sich gezielt schaffen und gezielt beseitigen.
Keine Schwachstelle lassen
Was
ist denn nun die richtige Strategie? Tatsächlich
immer nur die schwächste Stelle verstärken?
Eine Anwort gibt unser Beispiel Beispiel "Brennereianlagen": Früher wurde lokal verkauft und mit Reparaturservice Geld verdient. Heute, auf einem globalen Markt, auf dem Anlagen auch in abgelegenen Ecken von Tansania oder Vietnam stehen, darf nichts mehr kaputtgehen. Was immer man sich als Bruchstelle vorstellen konnte, wurde verstärkt. Die Anlagen wurden für alle Kunden erheblich robuster.
Man wählte also eine nicht optimale Strategie. An vielen Stellern wird Material oder Verarbeitung überdimensioniert sein. Effizient ist das nicht. Aber es ist effektiv. Kunden schätzen es, wenn eine Anlage Jahrzehnte hält.
Der Weg des geringsten Widerstands?
Der
elektrische Strom folgt immer dem Weg des geringsten
Widerstands. Auf dem ganzen Weg. Und auch das gilt
für die Taten und Untaten der Menschen. Daher kann
man gelegentlich klar und zuverlässig das Verhalten
von Menschen und Organisationen voraussagen, wenn
man nur die Abfolge und Größe von Widerständen genau
vorhersagen kann.
Man sagt manchmal, nur ein toter Fisch schwimme immer mit dem Strom. Das mag stimmen. Der elektrische Strom lehrt uns aber überdeutlich, wie man mit dem geringsten Energieaufwand ein Widerstandsgefüge überwindet. So kann er uns da und dort wohl auch als Modell dienen.
Der elektrische Strom hat uns gegenüber einen
gewaltigen Vorteil. Er "weiß" immer, wo
der Weg des geringsten Energieverlustes liegt. An
allen Teilwiderständen wird gleichzeitig Spannung
angelegt und "gemessen". Der Mensch kann das nur
selten. Ein kompliziertes Beziehungsgeflecht, Projekt
oder Wirkungsgefüge können wir auf Anhieb nicht
durchschauen.
Wir
wählen daher im ersten Schritt den optimalen Ansatzpunkt
aus dem Teil, den wir sehen und bewerten können.
Hier liegt wiederum ein Grund, warum der mathematisch optimale Weg und die "Konzentration auf den optimalen Ansatzpunkt" durchaus nicht übereinstimmen müssen.
Es lohnt sich allemal, darüber nachzudenken, wie der elektrische Strom sich verhalten würde.
Aufgabe:
Zu jedem Projekt gehören Überlegungen, was erreicht
werden und was vermieden werden soll. Viele Ziele
werden völlig verfehlt, weil unerwünschte Nebeneffekte
nicht vermieden wurden. (z. B. Konzentration auf
Karriere lässt die Jugendjahre der Kinder "vorbeifliegen",
eine neue Software "organisiert besser",
verkompliziert aber auch alles und erhöht letztlich
den Verwaltungsaufwand ...)
Überlegen Sie, was an Ihren Zielen und Projekten, egal ob Hausbau, Marketingplan, Hochzeitsvorbereitung oder Neuprodukt ..., alles schiefgehen kann. Definieren Sie "unerwünschte Nebeneffekte" und legen Sie fest, wie Sie diese vermeiden.
Aufgabe:
Nehmen Sie irgendeines Ihrer Vorhaben. Überlegen
Sie, was damit geschehen würde oder könnte, wenn
Sie in blindem Vertrauen handeln. Welche Nebeneffekte
treten am leichtesten ein? Welches Kettenglied reißt
zuerst? Welche Teilziele gehen am ehesten daneben?
Wer oder was könnte Ihr Vorhaben am leichtesten
sabotieren oder scheitern lassen? Gliedern Sie auf.
Z.B.
- Krankheit
- andere persönliche Gründe
- Vorgesetzte
- Untergebene
- Konkurrenz
- Gegner
- Technik ...