Kernprobleme und Konzentration der Kräfte
Diese Ausführungen sind Teil eines Trainings
in persönlicher Strategie.
Stategie hat damit
zu tun, worauf wir unsere Kräfte konzentrieren.
Welche Aufgaben bringen den meisten Erfolg? Was
ist zuerst zu tun? Setzt man seine strategischen
Überlegungen nicht bei der "Entwicklung"
an, sondern bei der Fülle der anstehenden Aufgaben,
dann ergibt sich ein sehr interessanter und praktisch
umsetzbarer Aspekt:
Es gibt eine Aufgaben-Hierarchie
Wer
eine Abteilung leitet, selbständig ist oder einfach
nur einen umgrenzten Bereich eingenverantwortlich
bearbeitet, der hat wenig Mühe, eine gedankliche
Struktur in seine wesentlichen Aufgaben zu bringen.
Arbeitet man aber überwiegend als Rädchen im Getriebe
einer größeren Organisation, dann verschwimmt die
Struktur der eigenen Aufgaben und Ziele vor den
Augen.
Doch die Struktur bleibt. Wenn Sie alle anstehenden Aufgaben zu Papier bringen, dann ergeben sich zwischen den Aufgaben Abhängigkeiten:
Die Lösung von Aufgabe A erledigt gleichzeitig Aufgabe B. Und eine zweite Situation: Für die Aufgaben E und F lässt sich eine "übergeordnete" Aufgabe formulieren, die beide Aufgaben mitlösen würde.
Bei näherem Hinsehen finden sich manchmal ganze
Gruppen von Aufgaben, die durch Lösung eines gemeinsamen "Kernproblems"
zu lösen wären. Wie beim Sportkegeln kann man mit
einem Wurf mehr oder weniger Probleme abräumen.
Es kommt darauf an, richtig zu zielen.
Kernprobleme
Kernprobleme sind also solche Probleme, deren Lösung andere Probleme gleich mitlösen. Sie sind dann interessant, wenn der Lösungsaufwand für das Kernproblem ungleich günstiger ist als die Summe der Einzelaufwände.
Die
Suche nach Kernproblemen führt in der Praxis schnell
auf einige Schwierigkeiten:
- Wir stoßen schnell an Machtgrenzen.
Je umfassender eine Problemstellung, desto höher im Machtgefüge eines Unternehmens ist ihre Lösung angesiedelt. So könnte z. B. ein Sachbearbeiter viele seiner Probleme lösen, wenn er über ein eigenes Budget verfügen könnte. - Wir gelangen schnell zu absurden Lösungen
Viele Probleme lassen sich auf der nächsthöheren Ebene leicht lösen (Die Stelle zu wechseln, löst sehr viele Probleme gleichzeitig...) oder sind reines Wunschdenken (Ein Lottogewinn löst sehr viele Probleme ...) - Auch Kernprobleme schaffen neue Probleme
Eine EDV-Abteilung hat z. B. 35 verschiedene Probleme und Änderungswünsche für das Softwarepaket der Einkaufsabteilung vorliegen. Eine neue Software würde fast alle diese Probleme lösen, aber zugleich natürlich wieder neue schaffen - Manche Kernprobleme sind wie Engpässe
Von den Rauchzeichen bis zum Internet war immer die Übertragungsrate ein Kernproblem, dessen Lösung viele andere Probleme mitlösen konnte. Und doch ist das auch einfach ein Engpass, der immer weiter gedehnt und doch nie ganz beseitigt wird. Egal wie auch immer man es nennt. Ein strategisch wichtiger Ansatzpunkt war die Übertragungsrate zu jeder Zeit
Wenn wir diese Fallstricke vermeiden, dann kann die Suche nach Kernproblemen außerordentlich fruchtbar sein. Oft genügt bereits die nach Problemhierarchien ausgerichtete Denkweise, um zusätzliche Klarheit und einfachere Entscheidungen zu ermöglichen.
Aufgabe:
Bitte nehmen Sie Ihre Liste aller anstehenden
Aufgaben zur Hand und versuchen Sie, darin gegenseitige
Abhängigkeiten und Hierarchien zu entdecken. Markieren
Sie alle Probleme, deren Lösung andere Probleme
mitlöst. Gruppieren sie Probleme, die durch die
Lösung eines gemeinsamen Kernproblems gelöst werden.
Bitte nehmen Sie sich genügend Zeit für diese Aufgabe. Betrachten Sie nicht nur Ihr Berufsleben, sondern auch Ihre familiäre Situation, Ihren Verein, Haus und Garten ...
Für die Bewusstseinsbildung ist es sehr förderlich, wenn Sie die Übung schriftlich durchführen!

Tipp:
Unser Bewusstsein kann aufgrund der beschränkten Kurzspeicherkapazität unseres Gehirns nur etwa sieben verschiedene Gesichtspunkte oder Argumente gleichzeitig gegenwärtig halten. Eine Aufgabe wie die Suche nach Kernproblemen ist daher ohne Papier und Bleistift schwer zu lösen!
Das Geschenkpapier-Problem
Stellen Sie sich vor, Sie sind Tankstellenpächter.
Neben Benzin verkaufen Sie ein beachtliches Kiosk-Sortiment,
Zeitschriften, Süßigkeiten, Getränke, Videos, Landkarten,
CDs, Motorenöl, Kaugummi .... Und nun gibt es auch
noch Kunden, die ein Mitbringsel kaufen und von
Ihnen eingepackt haben wollen. Ist es strategisch
sinnvoll, so etwas anzubieten?
Ein Stratege rät Ihnen zur Konzentration. Und doch wird er Ihnen möglicherweise raten, diese Dienstleistung auch noch in Ihr Sortiment aufzunehmen. Ist das nicht Verzettelung? Ist Ihr Hauptgeschäft nicht die Tankstelle? Wäre es nicht besser, in eine Waschanlage, schnellere Tankbefüllung, mehr Service rund ums Auto zu investieren?
Die konkrete Frage ist schnell beantwortet. Ihre Tankstelle als solche unterscheidet sich kaum noch vom Wettbewerb. Sie ist aber ein Mittel, eine große Zahl von Menschen als Laufkundschaft durch Ihr Warensortiment zu lotsen. Dort entscheidet sich der Zusatzgewinn, die einzige wirklich beeinflußbare Variable in dem sonst eher langweiligen Benzingeschäft, dessen Preise Sie noch nicht einmal beeinflussen können. Jeder zusätzliche Euro, den Sie mit zusätzlichem Service verdienen, ist ein echter Zusatzgewinn. Also: Konzentration auf die Wünsche der Laufkundschaft und dafür Verzettelung im Sortiment.
Ein Grundproblem
Damit berühren Sie ein Grundproblem. Konzentration bedeutet sehr häufig eine Verzettelung an anderer Stelle. Sie konzentrieren sich auf eine Aufgabe und verzetteln sich bei Verfahren, Werkstoffen etc. Sie konzentrieren sich auf eine Kundengruppe und verzetteln sich auf die Produktwünsche dieser Kunden. Sie konzentrieren sich auf den Werkstoff Gummi und verzetteln sich auf Abnehmer in allen denkbaren Industriebranchen. Sie konzentrieren sich auf Gewerbeversicherungen an Ihrem Ort und verzetteln sich auf alle vertretenen Branchen und Größenordnungen mit ihrem unterschiedlichen Bedarf. Sie konzentrieren sich als Angestellte auf Makro-Programmierung mit Excel und verzetteln sich auf Dienstleistungen für alle Abteilungen Ihres Unternehmens (keiner sieht im Überblick, was Sie leisten ...)
Bei aller Diskussion um den Nutzen von Konzentration wird dieser Aspekt oft übersehen. Machen Sie deshalb bitte folgende
Aufgabe:
Überlegen Sie, worauf Sie sich in Beruf und
Privatleben, in Kenntnissen, Fähigkeiten, Zielgruppen
etc konzentrieren und wo Sie sich verzetteln. Notieren
Sie mindestens fünf bis zehn wichtige Punkte. Überlegen
Sie, ob und wie Konzentration und Verzettelung voneinander
abhängen.
Achtung. Diese Übung erfordert ein gründliches Nachdenken. Nicht einfach nur durchlesen, sondern wirklich mit Papier und Bleistift 10 bis 20 Minuten dafür aufwenden!
Konzentration als Kreativitätsbremse?
Wer sich zu eng auf das konzentriert, was er gut kann und bereits tut, versäumt natürlich viele Chancen, die das Leben bietet. Nicht jedes zweite Standbein ist Verzettelung im negativen Sinne.
Landwirt Kleinhans lebt in Großstadtnähe. Eigentlich konzentriert er sich auf Ackerbau, insbesondere Gerste. Doch nebenbei errichtet er auf Landwirtschaftsprivileg eine große Halle und vermietet dort Unterstellplätze für Wohnwagen. Er erzielt mit wenig Aufwand ein interessantes Zusatzeinkommen. Vielleicht könnte er sogar in sein Gerstenfeld in Hanglage gegenüber der Autobahn durch Unterschiede in der Düngung oder Pflanzensorte einen großen Coca-Cola Schriftzug zaubern, oder seine Wiesen für Jugend-Zeltlager oder als Startplatz für Heißluftballons verpachten ...
Ist ein zweites Standbein Verzettelung?
Die
berühmte Schwarzwälder Uhrenindustrie ist entstanden,
weil die Bauern im Winter Zeit genug hatten, sich
einer zweiten Tätigkeit zu widmen. Aus dem führenden
Röhrenhersteller Mannesmann wurde ein führender
Mobilfunkanbieter. Aus den Anfängen der Zeppeline
entstand in Friedrichshafen eine High-Tech-Industrie,
die selbst Satelliten produziert.
Insofern wäre also Konzentration schädlich gewesen und hätte das Aufblühen ganzer Industrien verhindert. Und doch wird das Beispiel Mannesmann wieder zerlegt, weil man im Grunde eben doch nicht der Beste bei Stahlröhren und gleichzeitig der Beste beim Mobilfunk sein kann. Was kann man daraus lernen?

Tipp:
Nicht Konzentration ist das Patentrezept, sondern das Nachdenken darüber, worauf Sie sich konzentrieren sollten!
Gelegenheiten, die sozusagen am Wegrand liegen, kann man mitnehmen, ohne das gleich Verzettelung zu nennen. Jedenfalls solange das nicht zur Gewohnheit wird. Neue Ideen, neue Produkte, neue Projekte sind dann keine Verzettelung, wenn man die Kraft hat, sich diesen Dingen so zu widmen, sich so darauf zu konzentrieren, daß sie zum Erfolg führen. Je besser sich Neues in bestehende Ziele einfügt, desto leichter fällt der Erfolg. Und damit wären wir wieder bei der Konzentration auf die wichtigsten und erfolgversprechendsten Ziele. (Literatur: Porter, Wettbewerbsvorteile)